IT-Fachkräftemangel

IT-Fachkräftemangel: Zahlen & Statistiken zum Arbeitsmarkt in 2023

Lesezeit: 7 Minuten

Der Fachkräftemangel in der IT-Branche ist in aller Munde – aber wie schlimm ist es wirklich? Wir wollen die Angst vor dem IT-Fachkräftemangel mit Zahlen und Fakten versehen.

Was versteht man unter Fachkräftemangel und was ist die Definition?

Fachkräftemangel ist ein Begriff, der sich auf den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in bestimmten Branchen oder Berufsfeldern bezieht. Eine Definition des Fachkräftemangels ist also die Situation, in der es nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte gibt, um die Nachfrage zu decken.

Auf genau dieses Phänomen verweisen Digitalverbände wie der Bitkom. Obwohl bereits viele neue Arbeitsplätze in der IT-Branche geschaffen wurden, hätten die meisten Unternehmen noch wesentlich mehr Menschen einstellen können.

Aktuelle Zahlen und Eckdaten zum Mangel an IT-Fachkräften in 2023

IT-Personal wird heute sowohl bei der Herstellung vieler Produkte wie auch Dienstleistungen benötigt. Die Nachfrage dafür ist hoch und deshalb werden auch immer mehr IT-Fachkräfte benötigt, die Unternehmen in den Digitalisierungsprozessen unterstützen. Wenn nicht genügend IT-Fachkräfte ausgebildet werden, um der steigende Nachfrage gerecht zu werden, befürchten die Unternehmen eine mögliche Stagnation des derzeitigen Wachstums. Dies bedroht zudem die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen am Weltmarkt.

IW-Studie: 68.000 IT-Vakanzen in 2022

In einem sehr aktuellen Bericht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) vom 08.06.2023 wurde festgestellt, dass der Fachkräftemangel in IT-Berufen in Deutschland ein Rekordniveau erreicht hat, mit insgesamt 68.000 offenen Stellen im Jahr 2022. Die Studie zeigt, dass der hohe Bedarf an qualifizierten Fachkräften mit einem Rückgang der Absolventenzahlen an den Hochschulen zusammenfällt.

Besonders betroffen von diesem Mangel sind Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Es fehlten allein im vergangenen Jahr fast 34.000 Fachkräfte mit einem Hochschulabschluss, und für acht von zehn Stellen auf diesem Qualifikationsniveau gab es keine passend qualifizierten Arbeitslosen. Die Experten des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) betonten, dass sich diese Lücke kurz- bis mittelfristig auch nicht durch Studienabsolventinnen und -absolventen schließen lassen wird. Es wird sogar damit gerechnet, dass die Absolventenzahlen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik weiter zurückgehen werden, da die Zahl der Studierenden in diesen Fächern in den ersten Hochschulsemestern in den letzten Jahren abgenommen hat.

Bitkom-Studie: 137.000 IT-Vakanzen in 2022

In der folgenden Grafik der neusten Bitkom-Studie zum IT-Fachkräftemangel vom 16. November 2022, können Sie sehen, wie sich die Anzahl an offenen Stellen in der IT in den letzten Jahren entwickelt hat:

Grafik zeig die Anzahl der zu besetzenden Stellen in der deutschen Gesamtwirtschaft ab 2009 bis 2022. 2022 gab es 137.000 Vakanzen für IT-Fachkräfte. Dies beschreibt den Fachkräftemangel.
Bitkom hat 854 Unternehmen aus allen wirtschaftlichen Branchen repräsentativ befragt

Die Situation scheint anhand erster Kennzahlen also dramatisch zu sein. So hat sich der Mangel an IT-Fachkräften in den letzten Jahren deutlich verschärft. Die Anzahl der zu besetzenden IT-Stellen sei auf 137.000 gestiegen. Bitkom geht davon aus, dass sich die Lage in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen wird. Ein gewichtiger Faktor wird der demografische Wandel dabei spielen, so Bitkom. So träten viel mehr Menschen mit IT-Background aus dem IT-Arbeitsmarkt aus, als ein. Eine dramatische Entwicklung.

Auch die Anzahl an Unternehmen, die Probleme dabei haben, ihre vakanten IT-Stellen zu besetzten, sei in den letzten Jahren hoch gewesen. Unabhängig von der Größe würden über 65% der Unternehmen angeben, Stellen nicht besetzen zu können. In folgender Grafik sehen Sie dazu die Unterschiede aufgeteilt nach Unternehmensgröße:

Statistik: Anteil von Unternehmen in Deutschland, die im Jahr 2020 Schwierigkeiten haben, freie Stellen für IT-Fachkräfte zu besetzen, nach Unternehmensgröße | Statista
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Studie von McKinsey & Company zum IT-Fachkräftemangel im Öffentlichen Dienst

Laut einer am 25.01.2023 veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company, benötigt der öffentliche Dienst bis 2030 insgesamt 840.000 Vollzeitfachkräfte, wobei die Personallücke in den IT- und Digitalberufen besonders groß sei. Bei Bund, Ländern und Kommunen würden bereits heute rund 39.000 Fachkräfte in Informatik- und IT-Berufen fehlen. Bis 2030 würden es rund 140.000 IT-Fachkräfte sein.

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Hauptgrund für den Fachkräftemangel sei, dass bis 2030 mehr als 1,5 Millionen Beschäftigte altersbedingt aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden. Die Studie empfiehlt, Einstellungsverfahren zu beschleunigen, Weiterbildungsangebote auszubauen und flexible Arbeitsmodelle zu schaffen, um digitale Fachkräfte zu gewinnen, zu entwickeln und zu halten. Auch ein Austausch von Best Practices zwischen den Verwaltungen wird empfohlen.

Branchenforderung: Förderung und Zuwanderung, um Fachkräftemangel entgegenzuwirken

Aber nicht nur McKinsey & Company plädiert für umfangreiche Maßnahmen. Die Industrieverbände fordern aufgrund dieser Zahlen und Probleme in der Branche gezielte Förderungsprogramme durch die Politik. Sie sollen neue Professuren und Studienplätze im Bereich der Naturwissenschaften und IT bereit stellen und damit qualifizierte Absolventen ausbilden.

Außerdem plädieren viele Betriebe und Vertreter der Branche für ein modernes Zuwanderungsgesetz. Qualifizierte IT-Fachkräfte aus anderen Ländern sollen damit gezielt für Arbeitsplätze in Deutschland angeworben werden. Unternehmen hingegen beschweren sich zudem zunehmend über hohe Gehaltsforderungen und unzureichende Erfahrung der Kandidaten. (Quelle: Golem)

Der Ukrainekonflikt als Migrationsanlass für IT-Fachkräfte aus Russland und Belarus?

Bitkom spricht in seiner Pressemitteilung vom November 2022 zudem davon, dass 37 Prozent der befragten Unternehmen ihre Vakanzen mit IT-Kräften aus Russland oder Belarus besetzen würden. Vorausgesetzt, die Menschen würden sich vorab einer behördlichen Sicherheitsprüfung unterziehen. Laut Bitkom sei das Potenzial enorm, denn wenn die Zuwanderungsbestimmungen für diese Menschen erleichtert würden, könnten möglicherweise 59.000 Vakanzen mit Fachkräften aus den besagten Staaten besetzt werden.

Statistik von Bitkom, welche besagt, das 59.000 IT-Fachkräfte aus Russland und Belarus in deutschen Unternehmen eingestellt werden könnten.
Quellangabe: Bitkom Research

Umschulung als Chance gegen den Fachkräftemangel in der IT?

Eine Umfrage des Weiterbildungsportals neuefische zeigt, dass die wenigsten Befragten eine Auslagerung an in- oder ausländische Dienstleister als sinnvoll ansehen. Eine Umschulung halten hingegen rund 39 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen für effektiv, gefolgt von der Anwerbung ausländischer Expert:innen und von Fachkräften aus anderen technischen Berufen.

Allerdings gaben 62 Prozent der befragten Personal- oder IT-Entscheider:innen an, dass in ihrer Firma kein oder kaum Potential zur Umschulung bestehe. Entsprechend fanden bei 43 Prozent der Befragten in den vergangenen zwölf Monaten keine gezielten fachlichen Weiterbildungen statt. Elf Prozent ermöglichten einer bis zwei Personen, weitere acht Prozent bis zu zehn Personen entsprechende Trainings und Fortbildungen.

Infografik: IT-Fachkräftemangel: Umschulung als Chance? | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Ob massenhafte Umschulung für Entspannungen sorgen bleibt also abzuwarten.

Wie schlimm ist die Situation am Arbeitsmarkt wirklich?

Der Bewerbermarkt: Arbeitnehmer können ich freuen

Es gibt in der IT-Branche derzeit sehr gute Einstellungschancen und diese wird es auch in den nächsten Jahren noch geben. Man kann sogar von einer Jobgarantie sprechen – sofern man sich spezialisiert hat. Darüber herrscht Einigkeit. Auch, dass die „Time to Hire“ weiter steigen wird und viele Unternehmen gerne weitere Fachkräfte einstellen würden, legen die Daten nahe.

Fakt ist: Die Zahl der offenen Stellen für IT-Experten steigt nach Bitkom Research auch in 2022 stark an. In Zeiten der zunehmendem und umfassenden Digitalisierung, die nach und nach immer mehr Branchen betrifft, ist diese Entwicklung wenig überraschend. Zugleich führt die Fachkräfteengpassanalyse der Arbeitsagentur IT-Berufe weiterhin als Bereich mit Engpässen bei Experten auf.

Manche Wissenschaftler zweifeln am Fachkräftemangel

Ob man jedoch tatsächlich von einem eklatanten Fachkräftemangel reden kann, ist nicht so klar, wie es die allgemeine Wahrnehmung oftmals vermuten ließe. In den Wirtschaftsblättern und seitens der Forschungsinstitute fallen die Stimmen zum Teil kritisch aus.

So schlägt beispielsweise der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Straubhaar in diversen Interviews und Vorträgen andere Töne an. Ihm nach herrscht eher ein „Führungsmangel“. Der Fachkräftemangel werde von manchen Unternehmen mit Kalkül eingesetzt um Hilfsmaßnahmen von der Politik fordern. Er sagt, das Thema Zuwanderung werde im Bezug auf den Fachkräftemangel instrumentalisiert.

Auch lässt sich anhand einiger Statistiken festhalten, dass die Nachfrage in einigen Berufen höher ist als in der IT.

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Statistik: Fachkräfteindex in Deutschland nach Berufsfeldern im September 2019 | Statista
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Der monatliche Indexwert berechnet sich aus dem Verhältnis der aktuellen monatlichen Anzahl der Stellenausschreibungen in dem jeweiligen Berufsfeld zum Durchschnitt des Jahres 2013.

Es gibt auch weitere empirische Belege, die an einem schlimmen Fachkräftemangel zweifeln lassen.

Der bedeutendste davon ist die Lohnentwicklung (die auch Thomas Staubhaar in seinem Interview anführt). Sie ist in den Jahren 2018 bis Q1 2022 nur mäßig gestiegen. Seit Q2 2020 liegt die Reallohnentwicklung im Durchschnitt bei -1,34 %. Ein Negativtrend der sich in der Krise sicherlich fortsetzen wird.

Statistik: Entwicklung der Reallöhne/ Nominallöhne¹ in Deutschland vom 2. Quartal 2018 bis zum 2. Quartal 2022 (gegenüber Vorjahresquartal) | Statista
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Wenn die Unternehmen tatsächlich händeringend nach qualifizierten Arbeitskräften suchten, würden sie den Bewerben bessere Konditionen anbieten, so Straubhaar.

Gut möglich, dass ein Teil der Fachkräfte sich auf die ausgeschriebenen Stellen schlicht und einfach deshalb nicht bewirbt, weil in anderen Unternehmen oder Ländern bessere Konditionen locken. Auch sagt eine Zahl über offene Stelle nichts über einen Fachkräftemangel aus.

Entwicklung der Marktsituation

Im letzten Jahr wurden ausgesprochen viele Arbeitskräfte eingestellt. Allerdings wird das Angebot an passend qualifizierten Arbeitnehmern in manchen Branchen knapper. Dies führt in manchen Bereichen dazu, dass die Suchphasen für Arbeitgeber sich auf mehrere Monate ausdehnt. Bitkom spricht davon, dass die IT-Personalsuche im Jahr 2022 im Schnitt 7,1 Monate dauert.

Statistik zu IT-Stellen sind immer schwerer zu besetzen. Verglichen wird die Zeit, in der eine Stelle Vakant ist. Zeitraum 2021 vs 2022

Allerdings verändert sich auch der Arbeitnehmermarkt. So beschweren sich mittlerweile viele Recruiter über unzureichend qualifizierte IT’ler oder solche mit zu hohen Gehaltsvorstellungen. Auch wird eine geringe Bereitschaft zum Geschäftsreisen und für berufsbedingte Umzüge bemängelt. Die Coronazeit hat diesen Trend insbesondere mit den Home-Office-Möglichkeiten verschärft.

Dies können wir aus Gesprächen mit unseren eigenen Partnerunternehmen auf www.IT-Talents.de aus erster Hand bestätigen. Die Reisebereitschaft hätte deutlich abgenommen und keine Home-Office-Möglichkeit sei bei vielen IT-Fachkräften ein absolutes No-Go. Diese komfortable Situation führt dazu, dass IT’ler nicht zwingend jede sich bietende Stelle annehmen müssen und haben daher Ihre Ansprüche nach oben korrigiert.

Fazit

Die digitalen Herausforderungen werden für alle Unternehmen substanziell sein. Hierfür stehen in Deutschland viele IT-Fachkräfte zur Verfügung – die allerdings nicht immer schnell gefunden werden. Die hohe Nachfrage erschwert Unternehmen den Kampf um die IT-Talente – unattraktive Arbeitgeber haben es unter diesen Umständen extrem schwer und müssen IT-Fachkräften im War for Talent mehr bieten.

Die Unternehmen können diesem Kampf nicht aus dem Weg gehen. Sie sollten sich vorbereiten: Es gilt, die eigenen Lage zu analysieren und kreative und effektive Maßnahmen zu ergreifen.

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Der Artikel wurde zuletzt am 19. Juli 2023 durch die IT-Talents-Redaktion aktualisiert.

Christoph war von Oktober 2017 bis August 2023 für IT-Talents.de tätig und beschäftigte sich mit den Themen: Employer Branding, Personalmarketing und IT-Recruiting. Bei IT-Talents war er für den Bereich Key Account Management und Business Development verantwortlich.
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